ich. wir. Don giovanni

DON GIOVANNI- TRILOGIE TEIL 2

Nach Amadeus Mozarts Don Giovanni

 

KAMPNAGEL, Inszenierung Warnkepreis

THALIA THEATER, Einladung zum Körber Festival Junge Regie

19. Januar 2018 Premiere 

 

© Philip Artus,  Mirko von Bröckel 

Regie ·  Alicia Geugelin

Komposition  ·   Steven Tanoto

Multimediakomposition  ·   Pedro González Fernández

Bühnenbildner/ -in  ·   Amelie Hensel

Kostüme  ·   Pia Preuß

Dramaturgie  ·   Elise Schobeß

Kostümassistenz  ·   Johanna Winkler

Regieassistenz  ·   Malte Schwoch

 

Mit  ·   Pia Salome Davila, Lukas Dührkoop, Erik de Feyter, Sönke Tams Freier, Lucas da França, Nora Kazemieh, Wiebke Wilhelmine Kruse, Olga Lai, Cesar Jose Gutierrez Salas, Ashley Twumasi

 

Don Giovanni, der Verführer. Don Giovanni, der Romantiker, Freigeist, Egomane, Prahler, Träumer, Anarchist, der Einsame. So unfassbar und zuweilen geradezu unmenschlich die Figur ist, so sehr dient sie als Projektionsfläche für Sehnsüchte und Abgründe. Don Giovanni verkörpert das Prinzip der Verführung – zeitlos, raumlos, geschlechtslos – und birgt in seiner Kompromisslosigkeit auch gesellschaftliche Sprengkraft: Zwischen Freiheit und Egoismus, Anarchie und Hybris negiert er alles und lebt in einer Welt ohne Angst. In der Zerreißprobe von Individuum und Gesellschaft müssen sich alle mit ihm den Gretchenfragen stellen: In welcher Gesellschaft möchten wir leben? Gilt das Gebot der absoluten Freiheit, oder gibt es gemeinschaftliche Werte, Verbindlichkeit, Treue? Auf der Grundlage von Mozarts »Don Giovanni« begegnen sich in der Inszenierung von Alicia Geugelin HipHop und Oper auf der Bühne. Welten prallen aufeinander und die Macht der Verführung nimmt ihren Lauf.

 


REZENSIONEN

"Don Giovanni Mozarts Meisterwerk aus dem Jahr 1787 ist zeitlos und bricht auch noch im Jahr 2018 alle gesellschaftlichen Normen.  Der jungen Regisseurin Alicia Geugelin eröffnet mit ihrem Stück „Ich. Wir. Don Giovanni“ eine neue Perspektive. In diesem Stück ist Don Giovanni keine einzelne Figur, der sich eine Frau nach der anderen nimmt, sondern die ihm zugeschriebene Eigenschaften spiegeln sich in einzelnen Figuren wieder: Verführer, Romantiker, Nymphomane, Angeber, Einzelgänger, Egomane, Draufgänger, Freigeist. Don Giovanni steht für all das, was oft nicht in der Öffentlichkeit ausgesprochen wird. Das Stück nimmt uns mit auf eine Reise der verborgenen Sehnsüchte, unabhängig von Geschlecht, Zeit und Raum. Es geht vor allem um die Spannung zwischen Individuum und der gesellschaftlichen Norm. Will man sich anpassen? Was ist noch gesellschaftlich vertretbar?  Wie wichtig ist noch Treue? Fragen, die auch nicht im Stück gelöst werden, aber den Zuschauern gespiegelt werden.

Besonders die Gesangseinlagen der Figuren waren sehr beeindruckend. Klassische Oper oder doch HipHop. Die Mischung von beidem war die perfekte Dosis!"

- Özlem Alagöz-Bakan, Thaliatheaterblog

 

"Es ist diese Konfrontation der vor über 200 Jahren entstandenen Musik Mozarts mit den künstlerisch-tänzerisch hoch professionellen Auftritten der Rapper, die heutige Alltagsprobleme und Lebensfragen einbringen, eine Konfrontation, die der Musik einen ganz neuen Resonanzraum verschafft. Wir hören sie und gewahren, daß sie mitnichten veraltet, unzeitgemäß, verbraucht ist, daß sie vielmehr wie ein akustischer Edelstein über die Jahrhunderte ihren Glanz bewahrt hat, ihre Zeitlosigkeit erweist. 

Die Regiearbeit zeigt sich in ihrer hohen Reflexivität und Differenziertheit bis in winzige Kleinigkeiten der Bewegungen hinein, der Kommunikation der jeweils involvierten Figuren, Paare, Gruppen. Die Figuren erhalten eine eigene Identität gerade in den Beziehungen zu den jeweils anderen. Die Rollenerwartungen werden dabei immer wieder mal umgedreht, Männliches und Weibliches mitunter im Gegensatz zu den üblichen gesellschaftlichen Zuordnungen und Mustern dargestellt; der Rollentausch setzt sich dabei auch manchmal über das vorgegebene Libretto von Da Ponte und Mozart hinweg. So zeigt sich eine Umkehr der Rollenelemente etwa bei Passagen, die auf das Verhältnis zwischen Zerlina und Masetto anspielen. Der Mozart-Text wird nicht als unantastbar behandelt, sondern jeweils neu gewendet, in heutige Seh- und Hörgewohnheiten eingebracht, um mit ihm Fragen der Gegenwart zu thematisieren, dabei deren Ernst zugleich ein wenig zu hinterfragen mit dieser Art einer ‚weisen Heiterkeit‘ der Mozartschen Musik im Ohr.

Durch diese Art einer ‚Dekonstruktion‘ des historischen Werks wird dieses nicht beliebig zertrümmert, sondern genutzt und ‚gebraucht’ für Gegenwärtiges, für unsere heutigen Problemfragen. Damit wird es zugleich ‚rekonstruiert‘, erneuert, nutzbar und genießbar gemacht für heutige, insbesondere auch junge OpernbesucherInnen. Dieser ‚freie Gebrauch‘ des großen Stücks unserer musikalischen Tradition zeigt gerade das Unzerstörbare, Zeitüberhobene dieser diamantengleichen Musik.  

Fazit: Die Aufführung stellt einen großartigen Versuch dar, ein zentrales Stück der musikalischen ‚Klassik’ mit heutigen Darstellungsformen so zu verknüpfen und zu präsentieren, dass dieser Don Giovanni gerade in seiner weit über die Gegenwart hinausweisenden Größe und Schönheit neu zu erstrahlen und zu ergreifen vermag."

- Prof. Richard Sorg